Faktencheck zu „Weltklima – alle Prognosen basieren auf Computermodellen“
Link zum Originalartikel:
Eckstein: „Weltklima – alle Prognosen basieren auf Computermodellen“
- Der Artikel von Eckstein stellt Klimamodelle als grundsätzlich unglaubwürdig dar. In diesem Beitrag prüfe ich ob er recht hat.
- Seine Argumentation basiert stark auf einer einzelnen Studie zur Magnetfeldwirkung – viele zentrale Faktoren und große Fachliteratur werden ausgeblendet.
- Er argumentiert, dass Wissenschaftler nicht mal das Wetter über ein paar Tage vorhersagen können. Wie sollten sie da das Klima über Jahrzehnte voraussagen können? Er verschweigt, dass das zwei grundsätzlich unterschiedliche Dinge sind.
- Der Text nutzt typische Manipulationstechniken: falsche Vergleiche, Cherry-Picking, Emotionalisierung.
Einleitung
Der Substack-Beitrag von Eckstein ist ein gutes Beispiel dafür, wie Zweifel am wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel gesät werden. Formal wirkt der Text sachlich und belegt, doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich grobe Fehler und Manipulation. Solche Argumentationsmuster sind nicht neu, auch in der politischen Rhetorik finden sie sich wieder, wenn scheinbar „große Debatten“ inszeniert werden, wo in der Fachwelt längst weitgehender Konsens herrscht.
Dieser Beitrag soll exemplarisch zeigen, wie das funktioniert. Zunächst werden die zentralen Behauptungen überprüft und inhaltlich richtiggestellt. Anschließend geht es darum, die rhetorischen Techniken sichtbar zu machen, die solche Texte wirksam machen.
Teil 1 – Faktencheck
1) Wetter ≠ Klima
Eckstein schreibt sinngemäß, Wetterprognosen werden schon nach wenigen Tagen ungenau – ergo seien auch Klimamodelle wertlos. Dieser Schluss ist falsch. Er setzt zwei unterschiedliche Kategorien (Wetter und Klima) gleich und leitet daraus eine generelle Unglaubwürdigkeit der Klimaforschung ab. Klimamodelle zielen nicht auf Vorhersagen spezifischer Wetterereignisse am Tag X, sondern auf statistische Trends über Jahrzehnte. Etwas, das Wettermodelle nicht leisten wollen und nicht leisten können [1].
Wettervorhersagen basieren vor allem auf numerischer Physik und sehr genauen Startzuständen. Kleine Messfehler wachsen in einem chaotischen System schnell an und begrenzen die Vorhersage auf etwa 7–10 Tage (wobei die Zuverlässigkeit bereits nach wenigen Tagen stark abnimmt). Klimamodelle verwenden zwar dieselben physikalischen Gleichungen, simulieren aber die langfristigen Energie- und Stoffflüsse des Klimasystems unter verschiedenen Randbedingungen (z. B. CO₂-Antrieb) und werten die Ergebnisse statistisch aus. Es geht um Mittelwerte, Wahrscheinlichkeiten und Trends, nicht um den Regen am nächsten Freitag.
2) Treffsicherheit von Klimamodellen
Der Beitrag suggeriert, Klimasimulationen wären „sichtbar falsch“. Frühere Klimaprognosen wurden im Nachhinein mit den tatsächlichen Messdaten verglichen. Das Ergebnis: Viele Modelle aus den 1970er/80er-Jahren lagen beim weltweiten Temperaturanstieg erstaunlich nah an der Realität, wenn man die Emissionsentwicklungen zugrunde legt, die später tatsächlich eingetreten sind. Ein bekanntes Beispiel sind die Prognosen von Hansen (1988): Sein mittleres Emissionsszenario trifft den später beobachteten Erwärmungstrend sehr gut [2].
Die Grafik in dem Artikel von Eckstein zeigt nur die Meeresoberflächentemperatur (SST), diese ist stark von kurzfristigen Schwankungen beeinflusst. In der Klimaforschung wird daher die globale Mitteltemperatur als Referenzgröße bevorzugt. Noch robuster ist der Ozeanwärmegehalt, da er deutlich träger auf kurzfristige Schwankungen reagiert.
Eine Übersicht, wie Klimamodelle mit den tatsächlichen Messungen übereinstimmen, zeigt diese Grafik im IPCC-Bericht (AR6, WGI, Fig. 3.4). IPCC Abb. 3.4
3) Rolle der Sonne & kosmischen Strahlung
Eckstein betont eine „elektromagnetische Natur“ der Sonne sowie ein breites, angeblich ignoriertes Sonnenspektrum. Richtig ist: Die Sonne beeinflusst das Klimasystem über Strahlung, Sonnenwind und Ionosphärenprozesse, diese werden seit Jahrzehnten untersucht. Entscheidend ist aber die Größenordnung und der Trend: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts zeigt die solare Einstrahlung keinen Anstieg, während die globale Mitteltemperatur deutlich zunimmt. Damit kann die Sonne den beobachteten Erwärmungstrend nicht erklären.
Auch die oft angeführte kosmische Strahlung ändert daran nichts. Zwar moduliert die Sonnenaktivität diese Teilchenströme leicht, doch der daraus resultierende Effekt auf Wolken und Klima ist viel zu klein, um den globalen Temperaturanstieg zu verursachen. Große Auswertungen finden keinen robusten Zusammenhang zwischen kosmischer Strahlung und globaler Erwärmung, und Experimente zeigen, dass die Teilchenbildung unter realistischen Bedingungen ohne passende Gase kaum bis zu klimawirksamen Wolken wächst.
Kurz: Diese elektromagnetischen Effekte sind nicht ignoriert und werden in den Modellen berücksichtigt, ihr Beitrag ist aber verschwindend gegenüber dem menschlichen Treibhausgasantrieb (v. a. CO₂), der in Modellen den Erwärmungstrend korrekt reproduziert [3].
4) Wolken & Unsicherheiten
Im Artikel heißt es, Wolken würden in Klimamodellen nur vereinfacht behandelt und seien deshalb kaum aussagekräftig. Richtig ist: Wolken sind tatsächlich eine der größten Unsicherheiten, weil sie kleinräumige Prozesse (Tröpfchen, Eiskristalle, Aerosole) umfassen, die man nicht in jedem Detail weltweit berechnen kann. Aber falsch ist, dass sie „vermieden werden“. Wolkenprozesse sind seit Jahrzehnten ein zentrales Forschungsfeld und werden in allen großen Modellen mit aufwendigen Parametrisierungen eingebaut [4][5].
Aktuelle Studien zeigen, dass Wolken in den neuesten Klimamodellen mit speziellen, empirisch überprüften Formeln (Parametrisierungen) berücksichtigt werden. Ceppi & Nowack (2021) belegen anhand von Satellitendaten, dass Wolkenveränderungen die globale Erwärmung verstärken und in den Modellen quantifiziert werden [4]. Sherwood et al. (2020) stellen zudem klar, dass Wolkenprozesse zu den wichtigsten Unsicherheitsfaktoren gehören, in allen großen Modellen aber gezielt und systematisch abgebildet werden, um die Klimasensitivität realistisch einzuschätzen [5].
5) Magnetfeld & CO₂-Löslichkeit – was die Studie wirklich zeigt
Eckstein stellt die Abnahme des Erdmagnetfelds als wichtigen Faktor für den Anstieg von CO₂ und die Erwärmung dar. Tatsächlich gibt es eine Studie von Vares & Persinger (2015) mit dem Titel Earth’s Diminishing Magnetic Dipole Moment Is Driving Global Carbon Dioxide Levels and Global Warming. Sie zeigt eine starke Korrelation zwischen abnehmender Magnetfeldstärke und steigendem CO₂-Gehalt. Doch diese Arbeit ist in der Fachwelt umstritten. Sie stützt sich vor allem auf statistische Zusammenhänge und macht weitreichende Schlussfolgerungen, ohne einen überzeugenden physikalischen Mechanismus zu belegen. Auffällig ist auch der fachliche Hintergrund: Die Autoren arbeiten an der Laurentian University in Bereichen wie Humanwissenschaften und Verhaltens-Neurowissenschaften also keine klassische Klimaforschung. Das macht die Arbeit nicht automatisch falsch, erklärt aber, warum zentrale Klimamechanismen eher über Korrelationen als über etablierte physikalische Mechanismen diskutiert werden [10].
Als Argumentationsgrundlage verweist die Studie selbst auf eine Laborarbeit von Pazur & Winklhofer (2008). Dort wurde gezeigt, dass sich die CO₂-Löslichkeit im Meerwasser unter veränderten Magnetfeldern leicht ändert. Der Effekt ist also real, aber die Autoren betonen ausdrücklich, dass er verschwindend gering im Vergleich zu den menschlichen CO₂-Emissionen sei. Hinzu kommt, dass diese Laborstudie wegen methodischer Schwächen und unklarer Übertragbarkeit auf die realen Ozeane ebenfalls kritisiert wurde.
Weder die Laborergebnisse noch die Korrelationen aus Vares & Persinger liefern einen belastbaren Beleg dafür, dass das Erdmagnetfeld die heutige globale Erwärmung maßgeblich antreibt. Sie zeigen allenfalls, dass es kleine, sekundäre Effekte geben könnte, die in der Größenordnung jedoch nicht annähernd ausreichen, um die starke Erwärmung der letzten Jahrzehnte zu erklären [6][7].
Zwischenfazit
Der Substack-Beitrag überhöht Unsicherheiten und Nebenpfade. Der Stand der Forschung ist klar: Die seit etwa 1950 beobachtete Erwärmung geht überwiegend auf menschliche Treibhausgasemissionen zurück. [3]
E) Kontextlose Visualisierung
Technik: Eine Darstellung mit eingeschränkter Aussagekraft wird als Beleg präsentiert, ohne die nötigen Einordnungen.
Im Artikel: Viele Einzellinien aus Modellen werden ohne Ensemble-Bandbreiten und ohne Angaben zu den Annahmen/Szenarien (Emissionen, Aerosole, Vulkane) einer Messkurve gegenübergestellt; gezeigt wird nur die Meeresoberflächentemperatur statt der üblichen globalen Mitteltemperatur.
Warum irreführend:
Ohne Bandbreiten und Szenario-Kontext wirkt es, als müssten Modelle eine Linie exakt treffen. Tatsächlich liefern sie einen erwarteten Bereich. Darin liegen die Beobachtungen drin, wenn man korrekt vergleicht. Außerdem ist SST schwankungsanfälliger als die globale Mitteltemperatur, dadurch wirken Abweichungen größer, als sie sind [2].
Bandbreiten (Unsicherheitsbereiche): Modelle liefern nie nur eine Linie, sondern eine Spannweite möglicher Verläufe (viele Modellläufe, leicht andere Annahmen). Diese Spannweite wird als schattierter Bereich gezeigt. Fehlt sie, wirken Abweichungen dramatischer, obwohl die Messung oft innerhalb der erwarteten Spannweite liegt.
Szenario-Angaben: Modelle rechnen unter verschiedenen Annahmen (z. B. wie viel CO₂ emittiert wird, Aerosole, Vulkane). Ohne Hinweis, welches Szenario gezeigt wird, weiß man nicht, ob der Vergleich mit der Realität fair ist.
F) Überbetonung exotischer Effekte, Unterbelichtung dominanter Treiber
Technik: Fokusverschiebung – seltene/unsichere Mechanismen werden groß gemacht, dominante Prozesse marginalisiert.
Im Artikel: Magnetfeld/Ionosphäre anstelle von Strahlungsantrieb durch Treibhausgase.
Warum irreführend: Die Dominanz des anthropogenen Forcings ist vielfach belegt; Wolken-Unsicherheit ändert daran nichts und wird aktiv erforscht [3][4][5].
G) Lächerlichmachen statt Argumentieren
Technik: Forschung wird verspottet, um sie unglaubwürdig wirken zu lassen.
Im Artikel: ESA-Ergebnisse zu Sprites (rote Leuchterscheinungen) und ELF (extrem niederfrequente Wellen) werden als „banal“ dargestellt. Eckstein verweist auf Tesla oder Schumann und behauptet sinngemäß: „Das wusste man doch schon – heute wird es nur als angebliche Neuentdeckung verkauft.“
Warum irreführend: Spott ersetzt keine Belege. Die Abwertung lenkt nur vom eigentlichen Thema ab, trägt nichts zu diesem bei und soll Zweifel an der gesamten Wissenschaft säen.
H) Anschein von Wissenschaftlichkeit erzeugen
Technik: Fachbegriffe, Studienzitate oder Diagramme werden eingebaut, um Seriosität zu signalisieren, auch wenn sie fachlich wenig beitragen.
Im Artikel: Eckstein verweist auf eine Laborstudie zur Magnetfeldwirkung auf CO₂-Löslichkeit, zitiert ESA-Missionstexte und streut wissenschaftlich klingende Begriffe („Ionosphäre“, „ELF“, „Sprites“). Das wirkt beeindruckend, hat aber nur begrenzte Relevanz für die Frage des Klimawandels.
Warum irreführend: Solche Darstellungen erwecken den Eindruck, ein Argument sei wissenschaftlich abgesichert, obwohl es das nicht ist. Fachjargon klingt überzeugend, auch wenn er am Thema vorbeigeht. Einzelne Laborstudien oder ESA-Zitate ersetzen nicht den breiten Forschungsstand. Dadurch entsteht ein Schein von Tiefe und Seriosität.
Fazit
Der Text arbeitet mit Scheinargumenten. Er setzt Wetter mit Klima gleich, pickt eine randständige Laborstudie heraus, verschweigt die Gesamtforschung, präsentiert kontextlose Grafiken und ersetzt Belege durch Schmähbegriffe („Fake-Wissenschaft“, „CO₂-Religion“). Das ist kein seriöser Faktencheck, sondern Irreführung durch Auswahl und Darstellung. Wo Evidenz nötig wäre, liefert er Stimmung. Aus Einzelbelegen werden Zweifel konstruiert, während die breite Studienlage ignoriert wird. Kurven dienen als Kulisse, ohne Mechanismus, Größenordnung oder Replikation.
Quellenverzeichnis
- IPCC. (2021). Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Kapitel 1). Cambridge University Press. Link
- Hausfather, Z., Drake, H. F., Abbott, T., & Schmidt, G. A. (2020). Evaluating the performance of past climate model projections. Geophysical Research Letters, 47(1), e2019GL085378. Link
- IPCC. (2021). Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Kapitel 3). Cambridge University Press. Link
- Ceppi, P., & Nowack, P. (2021). Observational evidence that cloud feedback amplifies global warming. Proceedings of the National Academy of Sciences, 118(30), e2026290118. Link
- Sherwood, S. C., Webb, M. J., Annan, J., Armour, K., Forster, P., Hargreaves, J., et al. (2020). An assessment of Earth’s climate sensitivity using multiple lines of evidence. Reviews of Geophysics, 58(4), e2019RG000678. Link
- Pazur, A., & Winklhofer, M. (2008). Magnetic effect on CO₂ solubility in seawater: A possible link between geomagnetic field variations and climate. Geophysical Research Letters, 35(16), L16707. Link
- Köhler, P. (2009). Comment on “Magnetic effect on CO₂ solubility in seawater: A possible link between geomagnetic field variations and climate”. Geophysical Research Letters, 36(23), L23603. Link
- Diethelm, P., & McKee, M. (2009). Denialism: What is it and how should scientists respond? European Journal of Public Health, 19(1), 2–4. Link
- Lewandowsky, S., Ecker, U. K. H., & Cook, J. (2017). Beyond misinformation: Understanding and coping with the “post-truth” era. Journal of Applied Research in Memory and Cognition, 6(4), 353–369. Link
- Vares, D. A. E., & Persinger, M. A. (2015). Earth’s Diminishing Magnetic Dipole Moment Is Driving Global Carbon Dioxide Levels and Global Warming. International Journal of Geosciences, 6, 846–852. Link
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