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Die edle Wahrheit vom Leiden – Dukkha – Teil 1

Die edle Wahrheit vom Leiden – Dukkha – Teil 1


Einleitung: Das Fundament der buddhistischen Lehre

Warum leiden wir und wie können wir trotzdem gut leben? Diese Frage stellte sich der Buddha schon vor über 2500 Jahren. Auch heute bleibt sie so aktuell wie eh und je. Krankheit, Verlust, Unsicherheit, innere Unruhe – all das ist Teil unseres Lebens. Entkommen können wir ihm nicht, dem Leid. Versuchen wir uns also lieber damit anzufreunden. 

Die vier edlen Wahrheiten bilden das Herzstück der buddhistischen Lehre. In ihnen fasste der Buddha seine gesamte Einsicht über Leid, seine Ursachen und die Möglichkeit der Befreiung zusammen. Der Buddha liefert einen vollständigen Heilsweg und die Wahrheit vom Leiden bildet seinen Ausgangspunkt. Wer diese vier Wahrheiten wirklich begreift, erkennt nicht nur, was der Buddha lehrte, sondern was es heißt, Mensch zu sein. Bevor wir gleich zur ersten edlen Wahrheit übergehen werden, schauen wir uns alle 4 Wahrheiten kurz an um eine Idee des zu gehenden Wegs zu entwickeln.

Ein kurzer Überblick über die vier edlen Wahrheiten

Die 4 edlen Wahrheiten bilden das Fundament der buddhistischen Lehre und stellen den Ausgangspunkt von Buddhas gesamten spirituellen System dar. Bereits in seiner ersten „Lehrrede vom Ingangsetzen des Rades der Lehre“ (Dhammacakkappavattana Sutta) legte er diese dar. Schon das Verständnis und Praktizieren dieser Wahrheiten kann zur Befreiung vom Leid (Nibbana) führen. 

Buddha geht dabei vor wie ein Arzt. In der ersten Wahrheit stellt er die Diagnose: Das Leben ist durchzogen von „Dukkha“, damit meint er nicht nur offensichtliches Leiden, sondern auch Unzufriedenheit und das subtile Gefühl, dass etwas nicht ganz stimmt oder irgendwas fehlt.

Die zweite Wahrheit geht den Ursachen auf den Grund: Er nennt „tanha“ was soviel wie „Durst“ bedeutet, gemeint ist damit das Verlangen, das rastlose Begehren, das zu Leiden führt. Buddha nannte drei Arten: Durst nach Sinneslust, Durst nach Werden, Durst nach Nicht-Werden.

Die dritte Wahrheit nutzt der Buddha um zu zeigen, dass Heilung möglich ist, er legt sozusagen das Therapieziel fest: Er zeigt, dass das Leiden überwunden werden kann. Die Befreiung vom Leiden ist kein äußeres Ereignis, sondern ein innerer Zustand, der durch das vollständige Loslassen der Ursachen von Leid erreicht wird. Dieses Loslassen führt zum Zustand des Nibbana.

Bei der vierten Wahrheit gibt uns der Buddha schließlich einen Therapieplan an die Hand: Er nennt dazu den achtfachen Pfad, welcher sich zusammensetzt aus: 1. Rechte Erkenntnis, 2. Rechte Gesinnung, 3. Rechte Rede, 4. Rechtes Handeln, 5. Rechter Lebenserwerb, 6. Rechte Anstrengung 7. Rechte Achtsamkeit, 8. Rechte Sammlung. „Recht“ bedeutet hier nicht moralisches Gesetz, sondern eine heilsame Ausrichtung – ein Übungsweg, der zu innerer Klarheit und Mitgefühl führt, für uns selbst und für andere.

Was der Buddha wirklich sagte – Dukkha im ursprünglichen Sinn

📌 Kurz & Klar:
  • Die erste edle Wahrheit beschreibt das Grundproblem menschlicher Erfahrung: Alles Bedingte ist unbeständig und daher nie völlig zufriedenstellend.
  • Dukkha meint nicht nur Schmerz, sondern auch subtile Unruhe, Unzufriedenheit und die Unvollkommenheit des Daseins.
  • Der Buddha lehrte keine düstere Weltsicht, sondern eine realistische Diagnose – der erste Schritt zu Heilung und Befreiung.
  • Ziel dieses Teils: Dukkha verstehen, erkennen und lernen, ihm mit Einsicht statt Widerstand zu begegnen.

Einleitung: Die edle Wahrheit vom Leiden

Wir kennen es alle: Etwas fehlt immer. Kaum ist ein Ziel erreicht, zieht die Zufriedenheit schon weiter. Ein Lob, ein neues Handy, ein Urlaub – schön, aber nie ganz genug. Dieses ständige „Fast, aber nicht ganz“ beschreibt der Buddha mit dem Wort Dukkha: ein Unbehagen, das selbst dann bestehen bleibt, wenn alles „gut“ läuft.

Dukkha umfasst jedoch mehr als subtile Unzufriedenheit: auch das offensichtliche Leid von Schmerz, Krankheit, Verlust und Trauer, das Leiden an Veränderung, wenn Schönes vergeht, und die grundlegende Unruhe eines bedingten, vergänglichen Lebens. Jeder Mensch erfährt Dukkha, wenn auch in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit. Es ist also kein rein persönliches Problem, sondern eine universelle menschliche Erfahrung.

Die erste edle Wahrheit zeigt nicht auf äußere Umstände, sondern auf die Struktur unseres Geistes: Wie wir wahrnehmen, wünschen, festhalten und abwehren. Wer das versteht, beginnt die Dynamik des Leidens von innen her zu durchschauen. 

Um Dukkha zu verstehen, werden wir tief in die Thematik einsteigen. Dieser Artikel besteht aus vier Teilen, im ersten schauen wir uns an, was der Buddha und die buddhistische Lehre zu Dukkha zu sagen haben. Doch nicht nur der Buddha erkannte das Leid, deswegen betrachten wir im zweiten Teil Entsprechungen, aber auch Unterschiede in der westlichen Philosophie. Um unser Verständnis weiter zu vertiefen geht´s im dritten Teil dann um neurowissenschaftliche und psychologische Erkenntnisse zu Leiden und Unzufriedenheit. Doch all das Wissen ist nutzlos, wenn wir nicht damit arbeiten. Im 4. Teil soll es also genau darum gehen: Wie üben wir? Und wie integrieren wir dieses Wissen in unseren Alltag?

Ich freue mich mit euch diese Reise zu gehen und ich hoffe, dass diese Zeilen dazu beitragen werden, Leid klarer zu sehen und zu mindern.

Möge dieses Verständnis Leiden mindern — in uns und zwischen uns.

Das Dhammacakkappavattana Sutta - Die Lehrrede vom Ingangsetzen des Rades der Lehre

Nachdem der Buddha unter dem Bodhi-Baum das Erwachen (auch Befreiung, Erleuchtung genannt) erlangte, entschied er sich seine Erkenntnisse zu lehren. Im Hirschpark von Isipatana (heute Sarnath) hielt er seine erste Lehrrede vor fünf ehemaligen Weggefährten. Im folgenden schauen wir uns an was er dort zur ersten edlen Wahrheit sagt.

„Und das ist die edle Wahrheit vom Leiden: Geburt ist Leiden; Alter ist Leiden; Krankheit ist Leiden; Tod ist Leiden; mit Ungeliebtem vereint sein ist Leiden; von Geliebtem getrennt sein ist Leiden; nicht bekommen, was man wünscht, ist Leiden. Kurz, die fünf mit Ergreifen verbundenen Aggregate sind Leiden.“

Der Buddha beginnt seine erste Lehrrede mit einer scheinbar einfachen Beobachtung: „Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Tod ist Leiden“. Damit meint er nicht nur die damit verbundenen körperlichen Schmerzen, sondern die grundlegende Verletzlichkeit allen Lebens. Geburt steht für das Entstehen überhaupt – jedes neue Leben, jede neue Erfahrung, jede Erwartung trägt schon die Möglichkeit des Verlustes in sich. Altern erinnert uns an den unaufhaltsamen Wandel, Krankheit an die Zerbrechlichkeit unseres Daseins und Tod an die Unbeständigkeit alles Existierenden. 

Das Zusammenkommen mit Ungeliebtem, die Trennung von Geliebtem oder das Nichterreichen unserer Wünsche zeigen alle drei dieselbe Struktur: Wir wünschen uns, dass Dinge anders wären, als sie sind. In diesem Widerstand gegen dem was ist, entsteht Leid. Erst wenn wir die Wirklichkeit so sehen und annehmen, wie sie sich zeigt, kann sich innerer Frieden entfalten. 

Zuletzt sagt er noch „die fünf mit Ergreifen verbundenen Aggregate sind Leiden“. Die fünf Aggregate – Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewusstsein – bilden die Grundlage unserer Erfahrung und das, was wir gewöhnlich als „Ich“ bezeichnen. Sie sind nicht an sich leidvoll, doch sobald wir sie als „Ich“ oder „Mein“ betrachten, entsteht Anhaften. Wir klammern an einen Körper, der altert, an Gefühle, die vergehen, an Gedanken, die sich verändern. Genau in dieser Identifikation liegt die Wurzel des Unfriedens. Der Buddha möchte damit zeigen: Leiden entsteht nicht in den Dingen selbst, sondern in unserer Beziehung zu ihnen – im Festhalten an dem, was sich von Natur aus wandelt. Später in der Lehrrede, nachdem der Buddha alle vier Wahrheiten erläuterte zeigt er wie mit diesen gearbeitet werden soll:

„‚Das ist die edle Wahrheit vom Leiden.‘ Dieses Sehen, dieses Erkennen, diese Weisheit, dieses Verstehen, dieses Licht ging mir auf in Bezug auf Lehren, die ich zuvor von niemand anderem gehört hatte. ‚Diese edle Wahrheit vom Leiden muss vollständig verstanden werden.‘ Dieses Sehen ging mir auf … ‚Diese edle Wahrheit vom Leiden wurde vollständig verstanden.‘ Dieses Sehen ging mir auf … “

Er möchte zeigen, dass die Lehre nicht nur abstraktes Wissen ist, sondern dass man sich mit ihr auseinandersetzen und sie verinnerlichen muss. Der Buddha spricht hier von drei aufeinanderfolgenden Ebenen der Erkenntnis, die für jede der vier Wahrheiten gelten:

  • Erkennen – das bloße Sehen: Zuerst verstehen wir konzeptuell, dass Leid Teil des Lebens ist. Die erste Ebene ist rein intellektuell. Sie ist wichtig, aber bringt uns alleine nicht weiter.
  • Üben und Anwenden – das Verstehen: Wir richten Achtsamkeit auf die eigene Erfahrung, beobachten, wo und wie Leid entsteht, ohne es zu verdrängen oder verändern zu wollen. Hier wird das Wissen also zur persönlichen Erfahrung.
  • Verwirklichen – die direkte Einsicht: Wir erkennen, dass Leiden nicht aus den Umständen selbst kommt, sondern aus unserem Anhaften, Widerstand oder Vermeiden. In diesem klaren Sehen verliert das Leiden seine Macht über uns. Die Erfahrung wird zur gelebten Freiheit.

Damit gibt er uns eine einfache Anleitung, wie wir mit der Wahrheit vom Leiden üben und sie zu unserer eigenen Transformation nutzen können.

Das Sallatha Sutta – Die Lehrrede vom Pfeil

In dieser Lehrrede erklärt der Buddha wie gewöhnliche Menschen und Schüler die seiner Lehre folgen mit Leid umgehen. Er unterscheidet dabei zwischen vermeidbarem Leid und unvermeidbarem Schmerz. Schmerzliche Gefühle sind unvermeidlich. Doch unsere schmerzhaften Reaktionen - Angst, Grübeln, Abwehr oder Ärger - sind selbstgemacht. Der Buddha vergleicht es mit einem Pfeil, der uns trifft nur um dann gleich von einem zweiten getroffen zu werden.

„Wenn ein ungebildeter gewöhnlicher Mensch schmerzhafte körperliche Gefühle erfährt, ist er bekümmert und jammert und klagt, schlägt sich an die Brust und stürzt in Verwirrung. Er erfährt zwei Gefühle: ein körperliches und ein seelisches. 
Wie wenn ein Mensch von einem Pfeil getroffen würde, nur um von einem zweiten Pfeil getroffen zu werden: Dieser Mensch würde das Gefühl von zwei Pfeilen erfahren.“

Mit körperlichen Gefühlen ist hier nicht bloß Schmerz im engen Sinn gemeint, sondern jede unmittelbar im Körper erlebte unangenehme Empfindung – Hitze, Druck, Spannung, Enge, Zittern, Unruhe. Der zweite Pfeil beschreibt die geistige Reaktion darauf, das gedankliche und emotionale Widerstreben. Schließlich erklärt der Buddha noch wie ein Geübter mit Leid und Schmerz umgeht:

„Wenn ein gebildeter edler Schüler schmerzhafte körperliche Gefühle erfährt, ist er nicht bekümmert, jammert und klagt nicht, schlägt sich nicht an die Brust und stürzt nicht in Verwirrung. Er erfährt ein Gefühl: ein körperliches, kein seelisches. 
Wie wenn ein Mensch von einem Pfeil getroffen würde, aber er würde nicht von einem zweiten Pfeil getroffen: Dieser Mensch würde das Gefühl von einem Pfeil erfahren.“

Die Übung besteht darin, den ersten Pfeil bewusst zu spüren, ohne den zweiten nachzuschießen. Statt Angst, Abwehr oder Grübeln Raum zu geben, können wir lernen, Empfindungen einfach wahrzunehmen, wie sie sind – vergänglich, wandelbar, nicht persönlich. So verwandelt sich Schmerz in Einsicht: Wir erkennen, dass Leiden nicht im Erleben selbst liegt, sondern in unserem Widerstand dagegen. 

Genauso gehen wir vor, wenn eine leidvolle Emotion, wie z.B. Trauer, bereits aufgestiegen ist. Anstatt nochmal einen Pfleil nachzuschießen und zu wehklagen („Warum gerade ich?“) beobachten wir, wie die Trauer aufsteigt, sich verändert und wieder vergeht. Das klingt einfach, erfordert aber viel Übung. Wir verlieren uns schnell in unseren Reaktionen. So können wir also üben: bemerken, benennen („Trauer ist da“), atmen, Raum geben – ohne etwas zu verändern. So wird die Emotion erlebt, statt verstärkt.

Die drei Formen von Dukkha

Die Lehre von den drei Formen des Leidens stammt nicht direkt aus den Worten des Buddha. Sie finden sich in späteren Kommentaren, in denen die frühbuddhistische Lehre systematisch zusammengefasst wurde. Grundlage dafür sind jedoch zahlreiche Aussagen in den Lehrreden selbst, etwa im Dhammacakkappavattana Sutta, im Sallatha Sutta oder im Anattalakkhaṇa Sutta. Die Kommentatoren erkannten darin drei unterschiedliche Ebenen, auf denen sich Dukkha zeigt: das offensichtliche, das veränderliche und das bedingte Leiden.

  1. Dukkha-dukkha – das offensichtliche Leiden
    Dies ist das unmittelbare, greifbare Leid, das jeder Mensch kennt: körperlicher Schmerz, Krankheit, Verlust, Trauer, Angst, Verzweiflung. Es ist das, was der Buddha im Dhammacakkappavattana Sutta nennt, wenn er sagt: „Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Tod ist Leiden.“ Dieses Leid gehört untrennbar zum Dasein. Wir können es nicht vermeiden, aber wir können lernen, es ohne Widerstand zu tragen, ohne – in den Worten des Sallatha Sutta – den zweiten Pfeil nachzuschießen.
  2. Vipariṇāma-dukkha – das Leiden durch Veränderung
    Diese Form beschreibt das Leiden, das entsteht, wenn Angenehmes vergeht. Freude, Erfolg oder Liebe sind vergänglich. Sobald sie sich verändern, entsteht Unbehagen. Der schöne Moment vergeht, der Urlaub endet, ein vertrauter Mensch entfernt sich, oder ein Traum erfüllt sich und verliert plötzlich seinen Glanz. Die Unbeständigkeit (anicca) des Lebens macht alles Glück labil und bedroht. So kann auch Glück zur Ursache von Leid werden, wenn wir es festhalten wollen.
  3. Saṅkhāra-dukkha – das Leiden durch Bedingtheit
    Dies ist die subtilste und zugleich tiefste Ebene des Leidens. Sie meint das grundlegende Unbehagen des Daseins selbst – die feine Unruhe, die daraus entsteht, dass unsere gesamte Erfahrung aus flüchtigen, abhängigen und unkontrollierbaren Prozessen (saṅkhāra) besteht. Alles, was wir erleben – Körper, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, sogar Bewusstsein – entsteht in wechselseitiger Abhängigkeit und vergeht wieder. Nichts bleibt, nichts besitzt einen festen Kern. Und doch neigt der Geist dazu, in diesen Prozessen etwas Bleibendes, Sicheres oder Eigenes zu suchen. Saṅkhāra-dukkha beschreibt genau dieses Spannungsfeld: das stille Unbehagen, das entsteht, weil wir uns nach Beständigkeit sehnen in einer Welt, die ständig im Wandel ist. Selbst wenn wir Freude empfinden, schwingt in ihr eine leise Unsicherheit mit – die Ahnung, dass sie nicht von Dauer sein wird. So ist dieses Leiden nicht an bestimmte Umstände gebunden, sondern an das Bedingtsein allen Daseins.

Diese drei Formen von Dukkha zeigen die Tiefe der Diagnose des Buddha: Leiden ist nicht nur das Offensichtliche, sondern durchzieht alle bedingten Phänomene – auch das, was wir für Glück halten. Erst wenn wir diese Ebenen erkennen, können wir beginnen, Leid nicht mehr zu bekämpfen.

Infobox: Die drei Daseinsmerkmale (tilakkhaṇa)

Um zu verstehen, warum der Buddha Leiden als universelles Prinzip beschreibt, hilft es, die drei grundlegenden Merkmale aller Existenz zu kennen. Sie beschreiben die Natur der Wirklichkeit und bilden den Rahmen, in dem auch dukkha zu verstehen ist:
  • aniccaUnbeständigkeit: Alles, was entsteht, vergeht. Kein Zustand, keine Erfahrung bleibt gleich. Diese Vergänglichkeit durchdringt jedes Phänomen.
  • dukkhaUnzulänglichkeit oder Leiden: Weil nichts dauerhaft ist, kann kein bedingtes Ding dauerhafte Zufriedenheit geben. Jede Bindung an Vergängliches trägt die Möglichkeit von Leid in sich.
  • anattāNicht-Selbst: Da alle Erscheinungen im Wandel stehen und von Ursachen abhängen, gibt es in ihnen kein festes, unabhängiges „Ich“ oder „Selbst“.
Zusammengenommen zeigen diese drei Merkmale, warum der Buddha dukkha als universelles Prinzip beschreibt: Nicht, weil das Leben trostlos wäre, sondern weil alles, was entsteht, sich verändert und in dieser ständigen Veränderung keine letzte Sicherheit zu finden ist.

Dukkha als universelles Prinzip – kein Pessimismus

Die Lehre des Buddha wird im Westen oft missverstanden, als behaupte er, das ganze Leben sei nur Leid. Aber das verfehlt den Punkt völlig. Der Buddha beschreibt nicht eine düstere Realität, sondern eine psychologische Struktur: Alles Bedingte ist verletzlich – vergänglich, unkontrollierbar, nicht völlig verlässlich. Für den ungeübten Geist wird diese Verletzlichkeit leicht zur Quelle von Leid. Der Buddha bestreitet weder Freude noch Schönheit, weder Liebe noch Glück. Er erkennt sie an, sieht aber auch ihre Unbeständigkeit (anicca). Alles Angenehme entsteht aus Ursachen und vergeht, wenn diese Bedingungen sich ändern. Freude ist also nicht falsch, sondern einfach nicht dauerhaft. Es ist nichts schlechtes an Glück und angenehmen Gefühlen. Leiden entsteht, wenn wir sie entweder festhalten wollen oder wenn wir in ihrer grundlegenden Unsicherheit und Vergänglichkeit keine Ruhe finden.

Dukkha bedeutet deshalb nicht, dass das Leben sinnlos oder trostlos sei, sondern dass alles, was entsteht, auch vergehen muss und dass Anhaften an Vergänglichem Leiden erzeugt. Der Buddha beschreibt die Welt also nicht pessimistisch, sondern realistisch. Wie ein Arzt benennt er zuerst die Krankheit, bevor er zur Heilung übergeht. Die Erkenntnis von Dukkha ist daher keine düstere Weltsicht, sondern ein Schritt zu Klarheit und Befreiung.

Erst wer die Natur des Leidens wirklich versteht, kann es überwinden. So verweist die erste Wahrheit untrennbar auf die dritte: Auf die Einsicht, dass Leid enden kann und dass der Weg dorthin in der eigenen Erfahrung beginnt.

Fazit und Ausblick

Die erste edle Wahrheit zeigt uns, Leiden ist kein Zufall, sondern Folge der Bedingungen, unter denen wir leben. Schmerz, Verlust, Wandel und Ungewissheit gehören untrennbar zum menschlichen Dasein. Diese Einsicht ist keine düstere, sie kann befreiend sein: Wer Dukkha erkennt, hört auf, sich gegen das Unvermeidliche zu stemmen und beginnt, das Leben so zu sehen, wie es ist. In diesem ehrlichen Sehen liegt schon der erste Schritt zur Heilung. Der Kampf gegen das Unvermeidliche kann ein Ende haben.

Im nächsten Teil richten wir den Blick über den Buddhismus hinaus. Auch westliche Denker haben das Leiden des Menschen beschrieben – auf ganz eigene Weise, oft ohne es so zu nennen. Von Schopenhauer über die Stoiker bis zu Existenzphilosophen wie Heidegger, Sartre oder Camus: Sie alle suchten nach einem Verständnis des Unbehagens, das dem Leben innewohnt. Der Vergleich zeigt, dass Dukkha keine asiatische Idee ist, sondern eine universelle menschliche Erfahrung.

Ich freue mich darauf und wünsche euch bis dahin nur das Beste.

Mögen wir lernen, das Leiden klar zu sehen, ohne uns darin zu verlieren.
Mögen wir erkennen, dass in jedem Moment des Leidens auch der Keim der Befreiung liegt.
Möge aus Einsicht Mitgefühl erwachsen – für uns selbst und für alle Wesen.

Quellen

  • Sabbamitta (Übers.). (o. J.). SN 56.11 – Dhammacakkappavattana Sutta: Die Lehrrede vom Ingangsetzen des Rades der Lehre. In: SuttaCentral.
    https://suttacentral.net/sn56.11/de/sabbamitta
  • Sabbamitta (Übers.). (o. J.). SN 36.6 – Sallatha Sutta: Die Lehrrede vom Pfeil. In: SuttaCentral.
    https://suttacentral.net/sn36.6/de/sabbamitta
  • Sabbamitta (Übers.). (o. J.). SN 22.59 – Anattalakkhaṇa Sutta: Die Lehrrede vom Nicht-Selbst-Merkmal. In: SuttaCentral.
    https://suttacentral.net/sn22.59/de/sabbamitta
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